Interview - Female Producer Collective

Interview - Female Producer Collective

Das Female Producer Collective (kurz: FPC) ist ein Förderprogramm der gemeinnützigen Firma GOFORMUSIC gGmbH, welches Workshops und Coachings für angehende Produzentinnen organisiert. Wie das Konzept aufgebaut ist und warum es wichtig ist, gerade Frauen in der Branche zu fördern, erzählt Projektleiterin Lena Leick im Interview mit GEMS 'n' ROLL.

 

G'n'R: Was genau ist das Female Producer Collective und wer hatte die Idee dazu?

Lena: Das Female Producer Collective ist ein Förderprogramm für Musikproduzentinnen und die Idee entstand 2021. Da hatte Tim Schoon, Musikproduzent und Dozent an der Universität des Saarlandes, eine Vorlesung zum Thema Musikproduktion gehalten, in der die Frauenquote sehr hoch war, also ich glaube über 30 bis 40 Prozent der Teilnehmenden waren Frauen. Kurze Zeit später hatte Gregor Theado im Rahmen der SAMM MUSIC WEEK die Music Women Germany eingeladen und die haben zum ersten Mal wirklich Zahlen präsentiert, wie viele Frauen in der Musikbranche vertreten sind. Und was uns da sehr überrascht hat, war, dass gerade im Bereich der Musikproduktion super wenig Frauen vertreten sind. Ich glaube, die Quote lag bei vier Prozent, inzwischen ist es noch geringer geworden. Und das hat uns dazu angeregt, etwas zu ändern, weil anscheinend genug interessierte Frauen da sind, die gerne die Vorlesungen besuchen, aber dann keine Karriere in dem Bereich einschlagen. Das war die Idee dahinter. Dann haben wir bei der Initiative Musik nach Infrastruktur-Förderung angefragt, haben die auch bekommen und dann ging es 2021 schon los mit der ersten Runde.

 

G'n'R: Woher kommt deiner Meinung nach die geringe Frauenquote in der Branche?

Lena: Das ist eine gute Frage. Ich glaube, das kann man nicht pauschal beantworten, weil da wahrscheinlich jede(r) andere Gründe sieht. Ein Grund ist meiner Meinung nach der Mangel an Vorbildern, der die Frauen animiert, diesen Beruf als Produzentin als eine Karriere anzusehen. Wenn man in seinem Netzwerk nach Produzent*innen fragt, fallen überwiegend männliche Namen. Ich glaube, es liegt auch daran, dass es nicht dieser klassische Ausbildungsberuf oder ein Studium ist. Dass man in dem Bereich studieren kann, das gibt es wirklich erst seit ein paar Jahren, vorher war das eher ein Quereinstieg. Und dadurch, dass dieser schon immer sehr männerdominiert war, war es für Frauen dann schwerer, da einzusteigen, denn die Männer wollten unter sich bleiben, und ich glaube, da spielt Sexismus auch eine große Rolle. Aber da den einen Grund zu finden, ist schwierig, das ist ein Zusammenspiel aus ganz vielen Dingen.

 

G'n'R: Ihr wollt das aber ändern und bietet daher Workshops und Coachings an. Wie ist das Konzept aufgebaut und zu welchen konkreten Themenbereichen werden Workshops und Coachings angeboten?

Lena: Also im Prinzip hatten in der ersten Runde zehn Produzentinnen die Möglichkeit bekommen, als Teilnehmerinnen ausgewählt zu werden, jetzt in der zweiten Runde sind es fünfzehn. Das Workshop- und Mentoringprogramm dauert neun Monate und in der Zeit können die Teilnehmerinnen insgesamt zehn Workshops zu ganz verschiedenen Themen besuchen, darunter natürlich Themen aus dem Bereich Producing, aber auch Marketing, Branding, Grundlagen über Verträge, und wie man überhaupt als Produzentin Geld verdienen kann. Uns ist wichtig, dass die Frauen wirklich ein 360-Grad-Programm haben und komplett ausgebildet sind, damit sie einen leichteren Einstieg in die Branche haben. Neben den Workshops werden auch Einzelcoachings gegeben, das heißt, die Teilnehmerinnen bekommen die Möglichkeit, bei ihrem Wunschcoach oder ihrer Wunschcoachin individuell auf Fragen einzugehen oder Feedback zur Produktion zu bekommen. Und das dritte Wichtige, was wir anbieten, ist Sichtbarkeit und Vernetzung, weil das laut Keychange auch ein großer Punkt ist, wie man Nachwuchs fördern kann. Und wir bieten eben die Möglichkeit, die Teilnehmerinnen in der Branche zu vernetzen, sie mit Equipment auszustatten und ihnen über unsere Kanäle eine Plattform zu bieten, auf der sie sich präsentieren können. Das findet alles in dieser Coachingphase statt.

 

G'n'R: Wer sind die Coaches?

Lena: Das ist ganz unterschiedlich. Also wir haben jetzt für die zweite Runde über 25 Coaches insgesamt - davon sind 23 Coaches weiblich - die aus allen möglichen Bereichen der Musikbranche kommen, und viele sind selber als Musikproduzent*innen aktiv. Wir haben zum Beispiel die Grammy-nominierte Produzentin Charlie McClean an Bord, aber auch Künstlerin und Produzentin Novaa, die sich und auch andere Leute produziert. Wir haben auch Coaches, die wirklich aus dem Business kommen, also Manager*innen, Leute aus Labels und Verlagen, so dass man wirklich zu jedem Anliegen die passende Person hat.

 

G'n'R: Unterscheidet sich die zweite Runde von der ersten oder sind die Runden in etwa gleich aufgebaut?

Lena: Es gibt schon Unterschiede. Also zum einen konnten wir mehr Teilnehmerinnen zulassen, fünfzehn statt zehn. Und wir haben ganz tolle weitere Sponsoren und Partner an Bord, zum Beispiel haben wir jetzt Ableton als festen Partner. Gemeinsam mit denen konnten wir in dieser Runde ein tolles Kick-Off Event in Berlin veranstalten und auch das Abschlussevent im Ableton HQ feiern. Zudem haben die Teilnehmerinnen Lizenzen und Rabatte auf Equipment bekommen, was natürlich super ist. Dann konnten wir diese Runde mit Sony Music arbeiten und die Teilnehmerinnen haben die Möglichkeit bekommen, in den Circle Studios in Berlin mit Sony Artists in Songwriting Sessions an neuen Songs zu arbeiten. Ansonsten haben wir diese Runde unser Netzwerk erweitert und hatten mehr Möglichkeiten, die Produzentinnen zu fördern. Wir haben auch inzwischen die Möglichkeit, Studios anzubieten, in die die Teilnehmerinnen neben den Workshops und Einzelcoachings einfach die Möglichkeit haben, sich in die Studios kostenlos einzumieten und für sich, für andere oder gemeinsam Musik zu machen. So kann man das, was man bei uns gelernt hat, direkt in die Praxis umsetzen.

 

G'n'R: Wie ist die Resonanz allgemein zum FPC?

Lena: Also ich muss sagen, bei uns kommt wirklich ausschließlich positives Feedback an. Was uns sehr freut, ist, dass wir scheinbar einen guten Weg gefunden haben, denn Unternehmen aus der Branche - also verschiedene Labels, Verlage, Booking-Agenturen, Managements und natürlich auch verschiedene Künstler und Künstlerinnen – geben uns das Feedback, dass sie nur darauf gewartet haben, dass es endlich so ein Programm gibt. Denn viele würden gerne etwas ändern, aber die meisten sagen, dass sie keine Frauen finden, die produzieren. Das ist immer die Ausrede Nummer Eins, die wir hören. Und jetzt haben wir ein gutes Netzwerk und das Kollektiv, so dass wir zeigen können, dass es mindestens 25 Frauen gibt, die das draufhaben und es überhaupt keinen Grund gibt, zu sagen, dass die Teams nur noch mit Männern und nicht divers besetzt werden können. Wir haben also einen guten Weg gefunden, wie wir die Teilnehmerinnen wirklich in die Industrie stecken und diese da Fuß fassen können. Also es ist bisher nur positives Feedback zurückgekommen.

 

G'n'R: Welche konkreten Erfolge konntet ihr bereits erzielen?

Lena: Wir lassen jede Runde von CEval evaluieren, damit wir selber auch die Ergebnisse sehen und individuelles Feedback bekommen, um das Programm einfach noch besser zu machen. Das langfristige Ziel ist ja, die Frauenquote in der Musikproduktion zu erhöhen. Ich glaube, das sieht man erst in ein paar Jahren, ob sich da wirklich was tut. Was kurzfristige Ziele betrifft, haben wir zum Beispiel mit Novaa eine Remix-EP gemacht, auf der ausschließlich Remixe von unseren Produzentinnen drauf sind. Wir haben generell sehr viele Songs veröffentlicht, die vielleicht ohne unser Zutun gar nicht entstanden wären, weil die Produzentinnen durch uns Aufträge erhalten haben oder weil in den Songwriting-Sessions, die wir organisiert haben, die Künstler und Künstlerinnen gearbeitet haben und sich dazu entschieden haben, dass der Song auch wirklich rauskommen soll. Die Produzentinnen kommen da weiter und verdienen dadurch ihr erstes Geld. Und Sony Music, zum Beispiel, hat ein Register mit weiblichen Produzentinnen gestartet, so dass man sieht, dass wirklich in allen Labels, die sie innehaben, die Teams diverser besetzt werden. Und ich glaube, das ist auch schon ein gutes Zwischenziel, das wir erreicht haben, dass wir bei ganz vielen die Frauenquote ein wenig geändert haben.

 

G'n'R: Sind die Songwriting-Sessions Teil der Workshop-Reihe oder sind diese davon unabhängig?

Lena: Wir haben die in unser Programm etabliert. Das waren immer zwei größere Songwriting-Sessions, dieses Jahr war es, wie gesagt, das eine mit der Sony, das andere im Zuge des Abschlussevents, weil wir eben feiern wollten, dass die Workshops jetzt vorbei sind und jetzt quasi diese Einzelcoaching-Phase beginnt. Da haben wir auch nochmal ein großes Songwriting-Camp gemacht und darüber hinaus können natürlich die Teilnehmerinnen auch jederzeit mit anderen Produzent*innen arbeiten. Oft wird auch gefragt, ob wir Kontakte zu Künstler*innen haben. Falls beispielsweise irgendein Label Interesse hat, können wir Anfragen weiterleiten. Das ist Bestandteil des Programms geworden, dass man einfach die Praxis mehr anbietet und nicht nur die theoretischen Workshops hat.

 

G'n'R: Wird es voraussichtlich eine dritte Runde geben?

Lena: Also wir hoffen natürlich, dass es immer weiter geht, dass es noch eine dritte, vierte und fünfte Runde gibt. Wir haben den Antrag für eine dritte Runde bei der Initiative Musik eingereicht. Wir wurden zwei Mal gefördert und wir hoffen jetzt noch auf eine dritte Runde. Wir sind natürlich immer auf der Suche nach anderen Sponsoren und Unterstützern. Wir müssen natürlich schauen, dass sich das Projekt irgendwie trägt. Das geht ja alles über die gemeinnützige Firma von Tim, die GOFORMUSIC gGmbH, das heißt wir wollen gar nicht Geld erwirtschaften, sondern wir wollen im Prinzip wirklich diese Teilnehmerinnen fördern. Und da ist es natürlich ganz wichtig, dass man für jede Runde neue Gelder von Partnern und Sponsoren bekommt, damit man den Teilnehmerinnen das ganze Programm eben auch kostenlos anbieten kann. Und ob es für die dritte Runde wieder klappt, steht gerade noch aus, aber wir bleiben optimistisch und drücken die Daumen.

 

G'n'R: Dafür drücken wir ebenfalls die Daumen und wünschen euch viel Erfolg für die Zukunft. Vielen Dank für das Interview!

 

Redaktion: Celin Ost

Foto: Richard Barthel

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