Interview - Mindpatrol

Interview - Mindpatrol

 

Die Progressive Metal-Band Mindpatrol veröffentlichte letztes Jahr ihr viertes Studioalbum Ikaria. Sänger Luc François sprach mit GEMS ‘n‘ ROLL über die Entwicklung des Albums und über das Konzept, ein Album zusammen mit einem Roman zu veröffentlichen.

 

GnR: Im Juni 2021 wurde euer viertes Studioalbum Ikaria veröffentlicht, zusätzlich mit einem von dir verfassten Roman. Um was geht es inhaltlich in Ikaria und was hat dich zu dieser Geschichte inspiriert?

Luc: Ikaria handelt von der gleichnamigen pseudo-utopischen Science-Fiction-Stadt, in der es gewisse Regeln gibt, die ein reibungsloses Miteinander ermöglichen. Das heißt, man kann niemandem mehr weh tun, man kann niemandem mehr schaden und auf den ersten Blick scheint das alles ja sehr schön zu sein. Aber diese Regeln gehen auf Entscheidungen zurück, die nicht in jeder Hinsicht richtig oder moralisch vertretbar sind. Die Geschichte spielt größtenteils aus der Perspektive einer gehörlosen Frau namens Myra, die in dieser Stadt lebt und den Regeln aufgrund ihrer Gehörlosigkeit nicht unterworfen ist. Sie hat zudem ihre Probleme mit den Regeln, testet die Grenzen aus und so weiter und so fort. Und wir beobachten sie dabei, wie sie in dieser Stadt mächtig für Unruhe sorgt. 
Der Inhalt ging teilweise aus dem Vorgängeralbum Vulture City hervor. Dieses spielt auch in einer gleichnamigen Stadt und beide Geschichten spielen zeitlich parallel. Die beiden Städte sind auch im Grunde benachbart, nur wissen die Leute in Ikaria nicht, dass es Vulture City überhaupt gibt. Anders herum aber wissen die Leute aus Vulture City, dass es Ikaria gibt. Und anfangs sollte das eine Geschichte sein, bis wir gemerkt haben, dass das zu viel wird. Deshalb haben wir die Geschichte geteilt in Vulture City und Ikaria. Da gab es dann eben schon erste Ideen und Themen, die in Vulture City angedeutet werden und die jetzt in Ikaria voll ausgebaut wurden.

 

GnR: Also eine richtig komplexe Geschichte. Auch was den Umfang betrifft, Ikaria hat ja etwa 400 Seiten.

Luc: Ja, das hat mich sehr viele Nerven gekostet. Mache ich so schnell nicht wieder. (lacht)
Vom Umfang her ist es nicht mein längstes Buch, aber es ist sehr komplex. Ich habe auch recht lange daran gearbeitet und es mehrfach überarbeitet, um den Ablauf korrekt vor Augen zu haben. Besonders da es ja eben auch parallel zu Vulture City spielt und ich da oft Dinge nachschlagen musste. Denn wenn es in Vulture City mal an einem Tag regnet, dann muss es ja auch in Ikaria an dem Tag regnen, um mal ein ganz simples Beispiel zu nennen. Und das war auf jeden Fall sehr mühselige Arbeit.

 

GnR: Wie viel Zeit nahm das denn ungefähr in Anspruch?

Luc: Mit Unterbrechungen etwa drei Jahre. Unterbrechungen eben auch, da ich zu dem Zeitpunkt meinen Master gemacht habe und da schon quasi ein halbes Jahr nichts ging. Und dann musste ich mich immer wieder rein arbeiten. Ich denke, es war das Buch, an dem ich am längsten gesessen habe, auch wegen der Komplexität. Die erste Version war deutlich ausschweifender, da musste ich noch mal sehr viel zurecht schneiden, damit das später gut lesbar ist.

 

GnR: Auch zu den Vorgängeralben hast du einen Roman geschrieben. Woher kam die Idee zu diesem Konzept allgemein?

Luc: Das war eigentlich eine ganz spontane Geschichte. Schon unser erstes Album ist ein Konzeptalbum. Wir haben es fertig aufgenommen und gemixt – sofern man das, was wir damals veranstaltet haben, als mixen bezeichnen kann (lacht) – und ich saß in meiner Wohnung herum, habe ein bisschen hin und her überlegt, was ich mit meiner Zeit anfangen kann und dann dachte ich mir: Hey, die Geschichte ist ja eigentlich schon da und ich schreibe normalerweise Bücher, warum nicht auch in diesem Fall? Dann hatte ich mich anfangs klammheimlich hingesetzt, um den Roman zu schreiben und meine Kollegen damit zu überraschen. Aber ich bin sehr schlecht darin, Dinge für mich zu behalten, deswegen hat das mit der Überraschung nicht so ganz geklappt. Das war auch ein recht dünnes Büchlein, das ging ziemlich schnell von der Hand. Und danach war dieser Grundgedanke irgendwo etabliert. Beim zweiten Album gab es keinen Roman dazu, das habe ich erst bei Vulture City wieder aufgegriffen, weil es mir halt gerade so in den Kram gepasst hat (lacht).

 

GnR: Wie läuft denn bei euch der Songwriting-Prozess ab? Ist zuerst der Text oder die Musik da?

Luc: Das ist eigentlich jedes mal anders. Also beim ersten Album war es, wie gesagt, das Album, das von Anfang an da war und dann wurde der Roman quasi drüber geschrieben. Bei Vulture City war es eine Mischangelegenheit und bei Ikaria war wirklich der Roman zuerst da, aber auch dann gibt es ja immer noch den Überarbeitungslauf und so weiter. Das heißt, es gibt eine grobe Richtlinie, aber im Endeffekt kommt es auch schon mal vor, dass irgendwo gerade ein cooles Riff entsteht, welches eine gewisse Stimmung erzeugt und ich mir überlege, zu welchem Teil der Geschichte das passen könnte. Dann muss man die Geschichte nachjustieren, damit sich das gegenseitig besser ergänzt. Die Frage lässt sich also eigentlich nicht beantworten, was zuerst da ist. Aber in allen Fällen gibt es immer irgendwo eine kleine Datei, in der eine Kurzfassung oder so was drinsteht. Und wenn wir uns dann zum Beispiel gemeinsam mal treffen zum Songwriting und nicht schon gerade ein Part am entstehen ist, mache ich dann manchmal Vorschläge, welcher Teil der Geschichte noch nicht abgedeckt ist und wie die Musik dazu klingen könnte.

 

GnR: Zu Stainless White gibt es ein Musikvideo, welches sehr interessant ist, weil es die Handlung gut zusammenfasst. Wer hatte die Idee zur Umsetzung?

Luc: Wir wollten ein Video, was das ganze Thema etwas runter bricht und auch nachvollziehbar ist. Die Ideensuche war da auch recht schwierig, es hat ewig gedauert. Irgendwann kam mir die Grundidee, als ich mal nicht schlafen konnte, so simpel war es. Dann wurde die Idee ausgestaltet, wobei unser Gitarrist Yann mitgeholfen hat. Und als wir dann mit Cindy Santos eine Produzentin für das Video gefunden haben, ging es ins Detail, wo auch sehr viel hin und her diskutiert und Ideen ausgetauscht wurden. 
Der Video-Dreh verlief recht schwierig, weil das mitten in die Zeit fiel, als es mit Corona losging. Wir haben im Juli 2020 gedreht und mussten tausend mal aufschieben, weil immer wieder irgendwas nicht gepasst hat. Und als wir denn endlich eine Location für die Außenszenen gefunden haben und dafür nachts drehen wollten, mussten wir wegen den dortigen Schließzeiten doch wieder umplanen. Schließlich haben wir eine andere Location gefunden und da ist dann der Typ nicht aufgetaucht, der uns den Strom freigeben sollte. Also mussten wir alles mit Akkus drehen und super viel vor Ort noch umplanen. Und ich weiß noch, die Darsteller, die alle aus dem Freundeskreis kamen, die waren gegen neun oder zehn Uhr da und nach Mitternacht konnten wir dann irgendwann zaghaft loslegen. Das wurde dann auch alles an einem Tag gemacht, weil wir so die Schnauze voll hatten von den vielen Verschiebungen. (lacht)

 

GnR: Was steht bei euch in musikalischer Hinsicht in nächster Zeit an? Spielt ihr Gigs oder habt ihr sogar schon an neue Aufnahmen gedacht?

Luc: Auftritte haben wir nur ein paar. Zwei davon im November in Luxemburg, beides mit unseren Kumpels von Sleepers‘ Guilt. Und mit Sleepers‘ Guilt und der Band Incordia werden wir das „Wurstkopf-Fest“ veranstalten. Was auch auf einen blöden Einfall zurückgeht. Ihr kennt das bestimmt, dass jedes Konzert einen super „metal“ Namen hat, immer was super apokalyptisches oder tödliches. Und das wurde uns irgendwann zu albern und wir hatten dann ein Konzert zusammen geplant, das „Luc is a Wurstkopf“-Fest. Den Namen haben wir wieder aufgegriffen. (lacht) 
Konzert-technisch haben wir ansonsten aber nicht so viel geplant, weil einerseits die Planung bei uns gerade sehr schwierig ist. Unser Bassist arbeitet in der Pflege und das war schon vor Covid ein ziemlich schwieriges Feld und es ist nicht besser geworden. Und andererseits werden immer noch Sachen von vor oder während der Pandemie nachgeholt und wir hatte irgendwie keinen Bock, da echtes Booking zu betreiben.
Dafür haben wir uns um so mehr an der Studiofront vorgearbeitet. Einerseits sind wir gerade bei den Finishing-Touches für eine kleine EP mit drei Songs, die erstmals nicht auf einem eigenen Konzept basiert, sondern auf einem bestehenden Werk. Welches, verrate ich jetzt noch nicht. Aber sagen wir mal, es geht in die fernöstliche Richtung. Und auch musikalisch haben wir da ein bisschen mehr experimentiert. Wir haben mit Orchester-Elementen experimentiert. Mal gucken, wie es wird. Wir machen, wie gesagt, gerade die Aufnahmen fertig. Bisher sind wir super zufrieden und freuen uns, das irgendwann im nächsten Jahr zu zeigen.
Und auf der anderen Seite gibt es auch quasi noch ein Album, was sich so langsam zusammenfügt. Das hatten wir eigentlich vor dieser EP geschrieben, aber wir haben irgendwann entschieden, dass wir gerade keinen Bock drauf haben und uns anderen Sachen zugewandt. Jetzt haben wir dieses Album wieder aufgegriffen, wechseln die unschönen Parts aus und bringen alles auf Vordermann. Wir haben auch gemerkt, dass es eine ziemlich gute Idee ist, so eine Sache einfach mal ein Jahr ruhen zu lassen und dann wieder da dran weiter zu arbeiten, weil dann diese Betriebsblindheit weggespült ist. 
Und der andere Grund, warum es da ein bisschen gehapert hat, ist der, dass die Geschichte – also es wird wieder einen Roman geben – ziemlich viel mit Krieg zu tun hat. Irgendwann Anfang dieses Jahres wollte ich über das Thema nicht mehr schreiben, weil es sich total verkehrt angefühlt hat, da es eben jetzt umso mehr in unserer Realität angekommen ist. Und da dachte ich mir, dass es sich einfach falsch anfühlt, jetzt so einen Science-Fiction Fantasy-Hokuspokus niederzuschreiben, während das im echten Leben gerade geschieht. Und seit dem habe ich es auch noch nicht mehr aufgegriffen. Es steht für irgendwann auf der To-Do-Liste, aber noch nicht für jetzt. Ich muss auch noch den Schluss schreiben und das Ganze noch tausendmal überarbeiten, was auch nicht gerade die motivierendsten Sachen sind. (lacht)

GnR: Also habt ihr schon ein komplett neues Album quasi fertig?

Luc: Ja, wir haben ein komplettes Album mit Konzept, aber das braucht noch Zeit, bis es fertig ist, und es muss noch überarbeitet werden. Viele Lieder haben einen Anfang, einen Mittelteil und einen Schluss, also die Songstruktur steht, andere müssen noch fertig gestellt werden. Das Album erscheint noch nicht nächstes Jahr. Wir wollen im nächsten Jahr aufnehmen und veröffentlicht wird das Album dann erst 2024. Für nächstes Jahr haben wir die EP als Lückenfüller und werden wohl auch in Zukunft öfter auf das EP-Format außerhalb einer Story ausweichen.

 

GnR: Ihr seid Signature-Artists bei GEM SESSIONS. Wie sieht euer Anhänger aus und wer hat den Kettenanhänger designed?

Luc: Der Anhänger besteht aus den mittigen Buchstaben des Bandnamens, das d und das p. Wir haben kein separates Logo, sondern nur den Schriftzug, deswegen haben die zwei Buchstaben sympathisch gewirkt. Wir haben GEM SESSIONS das Logo geschickt und das Team hat dann die Linien so gekürzt, dass sie in den Anhänger passen.

 

GnR: Und wie kommt der Anhänger bei euren Fans an?

Luc: Recht viele Fans sind interessiert, weil es ein ungewöhnliches Merchandise ist. Allzu viel Gelegenheit, den Anhänger an die Fans zu bringen hatten wir bisher nicht, weil wir nicht so oft gespielt haben. Der Anhänger als Merch ist was für Liebhaber und Leute, die was anderes als ein schwarzes T-Shirt haben wollen. Außerdem können wir den Anhänger easy mitnehmen und bei einem Konzert verkaufen.

 

GnR: Hast du oder habt ihr noch abschließende Worte an die Leserinnen und Leser?

Luc: Bleibt gesund und habt eine gute Zeit. Der Branche an sich geht‘s im Moment nicht so toll, also macht es für die Künstler und habt Spaß an der Musik.

 

Vielen Dank für das Interview!

 

Redaktion: Celin Ost

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