Konzertbericht – In Extremo  am 19.08.23 beim Burg-Open Air in Illingen

Konzertbericht – In Extremo am 19.08.23 beim Burg-Open Air in Illingen

Von Juni bis September bestreiten In Extremo ihre Burgen-Tour „Carpe Noctem“. Passenderweise wird in Illingen wieder das Burg-Open-Air organisiert. Bei dieser Veranstaltung gastiert in einer Woche pro Abend ein Headliner auf dem Platz vor der Burg Kerpen in Illingen. Die Rocker von In Extremo dürfen bei einer solchen Veranstaltung natürlich nicht fehlen, und so erklingen vorm passenden Ambiente der erhaltenen Teile der Burg am Samstag, 19. August 2023, mittelalterliche Klänge fusioniert mit harter Rockmusik.

 

Mit im Gepäck haben die Mittelalter-Rocker an diesem Abend die 2019 gegründete Folkrock-Band Rauhbein. Die Musik der Combo ist durchsetzt mit Irish Folk-Einflüssen und die Lieder sollen nach eigener Angabe Mut und Lebensfreude vermitteln. Das gelingt der Band problemlos, denn die Songs handeln von Freunden, vom Feiern oder auch von Irland, wo Sänger Henry M. Rauhbein eine Zeit lang verbrachte, nachdem er aufgrund eines Arbeitsunfalls seinen ursprünglichen Beruf aufgeben musste. Die Musiker haben kurz zuvor ihr zweites Album 'Herz Eines Kriegers' veröffentlicht, aus dem die Band nun einige Songs live präsentiert, neben dem Titeltrack zum Beispiel Feier frei oder Wir sind eins. Daneben spielt die Band Hoch die Tassen, Rauhbein und Komm mit uns vom 2022er Debütalbum 'Steh wieder auf'. Gerade bei solch sommerlichen Temperaturen muss dringend auf die Flüssigkeitszufuhr geachtet werden und so leert Sänger Henry das ein oder andere Ur-Pils, natürlich unterstützt vom bereits anwesenden Publikum - „Prost, ihr Säcke! Prost, du Sack!“ Gegen Ende des Sets spricht er eine Widmung aus: „Dieses Lied ist für unsere Kinder“ - und die Band spielt Zieh mit den Wolken, welches davon handelt, seine Träume zu leben und das zu tun, was einem gerade richtig erscheint.

 Eine Umbaupause und etliche Kaltgetränke später ruft ein Feuerwerkschuss das Publikum zum Beginn der Show des Headliners. Das Intro – die Schlussnummer vom letzten Album 'Kompass zur Sonne' Wintermärchen – beginnt akustisch und instrumental. Nach dem akustischen Teil beginnt der rockige Part des Liedes, das Banner fällt zu Boden und gibt den Blick auf die Band frei, die das Lied live zu Ende spielen. Was ein verdammt epischer Auftakt! Wir bleiben beim selben Album aus dem Jahr 2020, von dem Band und Publikum als nächstes zur flotten Nummer Troja abrocken und beim Dudelsack-Mittelpart ordentlich headbangen. Das Stück gibt die Richtung des Abends vor, denn die Herren von In Extremo feuern einen Hit nach dem nächsten in die Menge sowie ausreichend Pyrotechnik gen Himmel. Sänger Michael begrüßt das Publikum, das der Band lautstark entgegenjubelt. „Und da hinten ist der VIP-Bereich?“, fragt er in Richtung eines Podests auf Höher der Tontürme, von wo ebenfalls gehörig Jubel kommt. Aus den vorderen Reihen des Publikums hört man während dessen den ein oder anderen Buhruf und Michael fragt: „Warum? Ist doch in Ordnung“, und betont, dass wir in Zeiten wie diesen geschlossen zusammenhalten sollten. Womit er vollkommen Recht hat! Und spätestens bei der folgenden Nummer Vollmond beweist das Publikum, dass es durchaus zusammenhalten kann, indem es den Refrain des Liedes wie aus einer Kehle mit schmettert.

Generell ist das Publikum sehr textsicher und der Sound dermaßen brachial. Michael kündigt an, dass die Band an diesem Abend auch ältere Lieder spielen wird, die sie teilweise jahrelang nicht mehr gespielt hat. Auch das wird mit lautem Beifall quittiert, woraufhin die Band Ai Vis Lo Lop spielt, welche sich auf dem Mittelalter-Rock-Debüt 'Weckt die Toten' und damit auf dem insgesamt dritten Album der Band befindet (die ersten beiden Alben von In Extremo waren Akustikalben und die Combo selbst noch eine reine Mittelalter-Band). In diesem und weiteren Songs des Abends nimmt Michael gelegentlich die Laute zur Hand. Auch das wundersame Instrument Hackbrett, gespielt von Dr. Pymontekommt zum Einsatz, beispielsweise in Unsichtbar und später noch ein Mal in Mein Rasend Herz. Die gälische Version von Liam ist schon lange fester Bestandteil im In Extremo-Set und wird, Michael wieder mit Laute in der Hand, zum Besten gegeben. Ein schönes, wuchtiges mittelalterliches Stück stellt auch Villeman og magnhild dar, welches mit treibenden Trommeln beginnt, bevor die Dudelsack-Fraktion hinzukommt und schließlich die E-Gitarren diese Wucht noch verstärken. Die ruhigere Nummer Ave Maria wird begleitet von einem Meer aus Händen, die von einer Seite zur anderen schwenken. „Sind Frauen im Publikum?“, fragt Michael vor dem nächsten Song. Dem darauffolgenden Jubel nach zu urteilen ist offensichtlich ein nicht geringer Teil des Publikums weiblich und Michael kann den nächsten Song Küss Mich wie gewohnt den anwesenden Frauen widmen. „Dieses Lied ist ein kleines bisschen für euch“. Mit Lieb Vaterland möchte die Band, ohne politische Reden zu schwingen, das Augenmerk darauf richten, was los ist in der Welt und dass die Menschheit nicht aus ihren Fehlern lernt. Der schnelle Rock-Part am Ende des Liedes geht einher mit einem wahren Kreuzfeuer an Pyrotechnik. Der Sängerkrieg darf im Set natürlich auch nicht fehlen. Michael weist das Publikum vor dem Lied noch ein, kräftig „Ho Ho Ho“ zu grölen, was beim entsprechenden Part im Song zum Einsatz kommt.

Im Juni hat die Band zudem eine neue Single veröffentlicht, die an diesem Abend ebenfalls live präsentiert wird. Weckt die Toten ist die erste von noch folgenden Singles, die ein neues Album ankündigen. Sänger Michael dazu: „Es dauert noch ein bisschen, aber nicht mehr sooo lange.“ Wenn das kein Grund zum Feiern ist! „Ich will euch schunkeln sehen!“, heißt es beim nächsten Lied. Und tatsächlich schunkelt der ganze Platz zum Sechs-Achtel-Takt zu Sternhagelvoll von rechts nach links. Im letzten Refrain setzen die Instrumente aus und lassen das Publikum alleine im Takt zur Bassdrum weitersingen, während Rauhbein ebenfalls wieder auf die Bühne kommen. Als letzte Nummern des offiziellen Teils folgen mit Störtebeker sowie Feuertaufe noch zwei Songs, die ebenfalls in keinem Set der Mittelalter-Rocker fehlen dürfen. Als erste Zugabe spielt die Band Rotes Haar, und vertonte damit ein Gedicht des bedeutsamen spätmittelalterlichen Dichters François Villon. Auch der Spielmannsfluch enthüllt am heutigen Abend seine volle Kraft mit gesamtem Publikumseinsatz und gehöriger Dudelsack-Wucht. Pikse Palve schließlich bildet das Schlusslicht dieses heißen und phänomenalen Abends beim Burg-Open-Air und Pyro sowie Feuerwerk werden noch einmal zum Schluss abgefeuert.

Seit nunmehr 29 Jahren geben In Extremo Konzerte rund um den Globus und bewiesen heute Abend erneut, dass sie in dieser Zeit nichts verlernt haben. Bei der Band passt einfach alles: Die Songs sowie die Musiker nehmen einen mit und die Shows bleiben als unvergessliche Erlebnisse in Erinnerung.

 

Redaktion: Celin Ost

Foto: Alessandro Picke

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