Von Musik zu Musical - Rare Americans machen Filme aus Alben

Von Musik zu Musical - Rare Americans machen Filme aus Alben

Die Indie-Band Rare Americans wagte sich 2023 an ein Medium, das zu diesem Zeitpunkt 20 Jahre lang in Vergessenheit geraten war: Alben als Animationsfilme.1

Mit ihrem insgesamt 33-minütigen Kurzfilm “Searching for Strawberries - The Story of Jongo Bongo” lieferten die kanadischen Musiker etwas, das man als logische Steigerung ihrer Karriere bezeichnen könnte. Bisher waren sie seit der Gründung 2018 für fesselnde Musikvideos bekannt, die vor allem Ausgestoßene (“Underdogs”) als Hauptfiguren auf ihrer Reise begleiteten. Das Ganze wird meist von charakteristischen Animationen begleitet, die song-übergreifend Figuren etablieren.

“Brittle Bones Nicky” aus 2020 ist mit zwei Fortsetzungen und einer Filmankündigung in 2023 nach wie vor ein Fan Favorite. Seine Geschichte handelt davon, wie ein unglücklicher Start ins Leben alles in negative Bahnen lenken kann und wie man dort wieder ausbricht.

Dass fantasievolle Animationsvideos zu Rare Americans Alleinstellungsmerkmal wurden, war ursprünglich nicht geplant. Im englischen Interview mit Music Existence beschreibt der Sänger der Band, James Priestner, wie sie zur Zusammenarbeit mit einem Animationsstudio kamen:

“[...] wir schauten dieses Video von Killer Mike [...], das diesen wirklich einzigartigen, grob-düsteren Animationsstil hatte, für einen ihrer Songs namens “Reagan”."

Das gleiche Animationsstudio, das an “Reagan” beteiligt war, fertigte nun für Rare Americans ein Musikvideo. Diese hatten zuvor lediglich ein paar Live-Action-Videos produziert, die für sie wesentlich aufwendiger gewesen waren. Als die Animation bei der Fangemeinde auf Anklang stieß, entschieden sie sich, eine Kooperation mit einem Studio einzugehen. Auf diese Weise war es ihnen möglich, sich auf ihre vordergründige Passion des Musizierens zu fokussieren, wobei den kreativen Kanadiern weiterhin das Konzeptionieren der Videos obliegt.2

Im Song “Reagan” aus 2013 kritisiert der US-Rapper Killer Mike die Rolle der Präsidenten im US-amerikanischen politischen System.

Außerdem zeichnet die Werke der Jungs aus, dass sie alle von wahren Begebenheiten inspiriert seien, gibt James Priestner in einem Interview mit Amplify The Noise an.3

Die Figur des Jongo Bongo in Rare Americans’ erstem Musical ist die Inkarnation ihres Bassisten Jan “Jongo” Cajka und bereitet dessen Beitritt in die Band musikalisch auf.

Der Start der Gruppe wurde von einer Karibik-Reise der Brüder James und Jared Priestner begründet. James, der seit der Highschool Songs geschrieben haben soll, habe seinen Bruder einbezogen, der daraus wohl ein ganzes Album zu Wege bringen wollte.

Schon setzten sie es in die Tat um, “Rare Americans” entstand sowohl als Band als auch als Album mit 13 Titeln. Die Priestners fanden im Urlaub zufällig mit Jongo zusammen und rekrutierten zuhause weitere Mitglieder.

Heutzutage machen James und Jared als Gitarrist/Singer-Songwriter und weiterer Songwriter, Jongo am Bass und Duran Ritz am Schlagzeug die Mitglieder von Rare Americans aus.

“Searching for Strawberries - The Story of Jongo Bongo” aus 2022 verfolgt Jongo bei seiner Entwicklung vom ausgebrannten slowakischen Bürohengst zum Band-Bassisten. Er geht den Jakobsweg, reist in die Karibik und kommt schließlich als neuer Mensch in Vancouver an.

Die ewige Frage des vordefinierten Genres stellte sich für die Kanadier nicht. Vor der Verleihung des Juno Awards, dem kanadischen Äquivalent zum Grammy, in 2023 nennt Sänger James ihren Still “crooked pop”. Er habe Einflüsse von Punk, Hip-Hop und Indie-Rock und sei damit eher linkslehnend, aber mit eingängigen Melodien.4

Punk und Rock fallen insbesondere beim jüngsten Release “(S)KiDS” von Rare Americans ins Gewicht. Hier wurde in Spielfilmlänge etwas geschaffen, das in dieser Kombination wahrlich als originell bezeichnet werden darf.5

Zuletzt hatte das House-Duo Daft Punk ihr Album “Discovery” in einem kunterbunten Anime-Film verpackt. Mit nur sieben Minuten Längenunterschied zwischen den beiden Werken gab es keine Notwendigkeit für Dialog; die meisten Plotpunkte wurden innerhalb der Lieder abgehandelt. Das Musical trägt den Titel “Interstella 5555: The 5tory of the 5ecret 5tar 5ystem”, der das Sci-Fi-Setting und die elektronische Musik unterstreicht.6

Die brandneue Herangehensweise lobte der BBC für das “Kreiieren einer beeindruckenden Verschmelzung von Musik und Bildmaterial” und die hohen Produktionskosten waren mehr als gedeckt.7

Doch weder Daft Punk noch andere Bands sprangen auf diesen Erfolg auf; bis jetzt.

Der Trailer aus 2024 für den polierten Re-Release des Films im selben Jahr.

Für Rare Americans sollte es nicht bei einem einzigen Musical bleiben. Die “edgy punk rock opera” (S)KiDs aus 2024 erweitert das Album um atemberaubende 35 Minuten, jede davon mit Daseinsberechtigung. Anders als bei Daft Punk ist der Film kostenlos auf YouTube verfügbar, wenn man von den Werbeanzeigen absieht.

“(S)KiDs” aus 2024 befasst sich mit Underdog Scotty, einem selbst ernannten Punk-Poeten, der in einer neuen Stadt mit existentiellen Themen wie Zugehörigkeit, Autorität, mentaler Gesundheit und Abhängigkeit konfrontiert wird.

Die Animation wirkt mit der geringen Bildrate roh, was die allgemeine Atmosphäre jedoch nur unterstreicht. Skizzierte Linien, starke Farbsprache, nahezu niedliche Figuren im Kontrast zur finsteren Erzählung; damit traf die Band aus Vancouver einen Nerv.

Das Feedback fiel überaus positiv aus. Auf YouTube erzielte (S)KiDs 630.000 Views und mehr als 40.000 Likes.

Allerdings wiesen Fans darauf hin, dass die drei parallelen Handlungsstränge die Bildschirmzeit der einzelnen Geschichten zu sehr verkürzen würden.8

Wahrscheinlich aus diesem Grund veröffentlichte Rare Americans das Musikvideo “Give Up First” als Start des Deluxe-Albums, das die Storylines des originalen Films erweitern soll.

In “Give Up First” aus 2025 wird eine Szene aus (S)KiDs aus den Perspektiven mehrerer Charaktere weiter ausgeführt. Insbesondere wird eine Party, auf der Scotty seine Freundin Molly zurücklässt, ins Visier gerückt.

Karrieren wie die von Rare Americans bieten Grundlage für Hoffnung, egal ob man kunstschaffend ist oder nicht.

“Die Botschaft beinhaltet das Finden von Erfüllung und das Bewahren der eigenen Authentizität, selbst gegenüber Hindernissen. Wir hoffen, sie regt Leute an, als sie selbst zu leben, und ihre eigenen individuellen Pfade zu beschreiten.”, wünscht sich James Priestner im englischen Interview mit whynow.

Bleibt abzuwarten, ob Rare Americans zukünftig mit (S)KiDs Deluxe ihre Reichweite vergrößern und ihren Wunsch weiterhin in die Realität umsetzen können.9

 

Redaktion: Siento Wege

Titelbild: Jan Neumann

 

Quellenverzeichnis:

1https://www.rareamericans.com/

2https://musicexistence.com/blog/2021/07/29/interview-james-priestner-of-rare-americans-discusses-upcoming-album-ra3-jamesy-boy-the-screw-loose-zoo/

3https://amplifythenoise.com/a-conversation-withjames-priestner-of-rare-americans/

4https://junoawards.ca/blog/7-questions-with-rare-americans/

5https://www.skidsthemovie.com/

6https://www.yokogaomag.com/editorial/interstella5555

7https://www.bbc.co.uk/films/2003/10/13/interstella_5555_the_5tory_of_the_5ecret_5tar_5system_2003_review.shtml

8https://www.imdb.com/de/title/tt34381634/

9https://whynow.co.uk/read/rare-americans-interview

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